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Anforderungen an das selbstfahrende und vernetzte Auto der Zukunft

24 . FEB 2022
 

Verschiedene Trends und Treiber werden den Kommunikationsbedarf für zukünftige Fahrzeuge extrem wachsen lassen. So erfordert z.B. automatisiertes Fahren eine Vielzahl von hochaufgelösten Sensordaten (Lidar, Kamera, Radar, Ultraschall), um ein genaues Umfeld-Modell erstellen zu können. Daneben steigt nicht nur die Nachrichtenmenge zur Kommunikation innerhalb des Fahrzeuges, sondern auch zur Kommunikation des Fahrzeuges mit der Außenwelt wie z.B. zu einer Fahrzeughersteller-Cloud.

Je höher die Ansprüche an die Fahrzeugfunktionen, desto höher wird auch der Bedarf an Daten.

Um diesen immer größer werdenden Datenmengen im Automobil gerecht zu werden und diese auch echtzeitfähig zu übermitteln ist in neuen EE-Architekturen die Technologie Ethernet nicht mehr weg zu denken, so auch in der gemeinsamen Entwicklung Zonaler Controller von Valeo und Leoni.


Automotive Ethernet

Der wesentliche Unterschied zum herkömmlichen Ethernet, wie man es aus der IT-Welt kennt und Automotive Ethernet 100Base-T1, liegt darin, dass dieses grundsätzlich dazu geeignet ist, über ungeschirmte und ungemantelte Twisted-Pair Leitungen, ähnlich wie sie heute schon beim CAN Bus zum Einsatz kommen, zu kommunizieren.

Automotive Ethernet (>=100Mbit/s) ist auf physikalischer Ebene immer eine Punkt-zu-Punkt Verbindung. Daraus folgt, dass man für ein Netzwerk mit mehr als zwei Teilnehmern einen sogenannten Switch benötigt (Abbildung 2). Dieser leitet die Daten zu den angeschlossenen Steuergeräten entsprechend weiter.

Da Switche die Kreuzungspunkte der Daten darstellen, können diese sich dort stauen, so dass Verzögerungen entstehen. Um einen deterministischen und echtzeitfähigen Datenaustausch für fahrsicherheitsrelevante Funktionen aufbauen und garantieren zu können, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

 

Ein Ethernet Switch leitet Nachrichten an den/die richtigen Empfänger weiter.


Time Sensitive Networking – “TSN“

Dies wird durch verschiedene Technologien gelöst, welche in der „Time Sensitive Networking“ Standard Sammlung definiert sind. Zu diesen Technologien gehören unter anderem Netzwerkzeit (PTP), Nachrichtenmanagement (Traffic Shapper) und Redundanzmechanismen.

Wenn man z.B. ein Video streamt, müssen Daten gepuffert werden um einen kontinuierlichen Film zu gewährleisten. Dieses Puffern von Daten ist für Echtzeit-Regelalgorithmen nur sehr bedingt möglich, da z.B. der Radarsensor seine Daten ohne Verzögerung für die Umfeld-Erkennung weitergeben soll.

Für solche Echtzeit-Regelalgorithmen ist ein gemeinsames Zeitverständnis (Netzwerkzeit) aller Funktionen elementar.


Precision Timing Protocol – „PTP“

Zur Sicherstellung dieser benötigten präzisen und synchronisierten Zeit im Netzwerk wird das Precision Timing Protocol (PTP) genutzt. Dazu werden spezielle Nachrichten zwischen den Netzwerkteilnehmern ausgetauscht und die Laufzeit dieser Nachrichten gemessen. Zudem wird ein zentraler Time-Master festgelegt, welcher die Zeit bereitstellt, auf welche sich die anderen Netzwerkkomponenten synchronisieren. Zur Verringerung der Initialisierungs- oder Ausfallzeit kann gleich ein fester Zeitmaster und dessen Ersatz festgelegt werden.

 

Das gPTP Protokoll sieht feste Mechanismen vor, um Zeitverschiebungen zu ermitteln und somit genausten Zeitanforderungen gerecht zu werden.

 


Traffic Shaping

Kernfunktionalität eines TSN Netzwerkes ist die Priorisierung des Netzwerkverkehrs, so dass ein deterministisches Verhalten garantiert werden kann. Es geht also nicht darum, dass die meisten Nachrichten möglichst schnell ankommen, sondern dass die wichtigen Nachrichten spätestens nach einer gewissen Zeit ankommen. Nach einer passenden Planung des Netzwerkes kann man sich somit darauf verlassen, dass alle Informationen rechtzeitig am benötigten Ort vorhanden sind. Zusammen mit dem genauen Zeitstempel der Netzwerkzeit kann z.B. die Verarbeitung zeitlich synchroner Daten von verschiedenen Sensoren an einer zentralen Stelle garantiert werden.

Umgesetzt wird dieses Verhalten durch synchrone oder asynchrone „Traffic Shaper“. Der synchrone Qbv Traffic Shaper funktioniert wie ein Zugfahrplan. So wie Bahnunternehmen genau planen, zu welcher Zeit die Züge den Bahnhof verlassen dürfen oder ankommen müssen, so wird hier ein Plan erstellt, wann welche Message gesendet und weitergeleitet wird, bis sie am Ziel ankommt, ohne dass verschiedene Nachrichten sich gegenseitig behindern. Wie die Bahnhofsuhr dient hier PTP als zentraler Taktgeber. Nach anderen Prinzipien arbeiten asynchrone Traffic Shaper mittels verschiedener Warteschlangen und Senderegeln. In den Netzwerkkomponenten kann mathematisch berechnet werden, ob die benötigte maximale „Verspätung“ (Latenz) zwischen Sender und Empfänger eingehalten werden kann. Wenn die benötigten Zeiten nicht eingehalten werden können, muss entweder der Nachrichtenkatalog (Datenmenge/Sendezeiten) oder das Netzwerk (mehr/schnellere Verbindungen) angepasst werden.

 

Der TSN Shaper stellt sicher, das kritische Nachrichten (z.B. wichtige Sensordaten) immer zuerst weitergeleitet wird und stellt Nachrichten mit niedrigerer Priorität (z.B. Multimedia) hinten an.

Redundanz im Netzwerk

Um die nötige Sicherheit ins Fahrzeug zu bringen und um Fehlern vorzubeugen – dass beispielsweise die Daten nicht nur rechtzeitig, sondern auch ausfallsicher übertragen werden, braucht man Redundanzmechanismen.

Dies erfolgt nicht nur durch physikalische Verdoppelung von Sensoren, Intelligenz und Aktoren, sondern auch durch Vervielfältigung von Netzwerkverbindungen und Datenströmen. TSN hat Mechanismen geschaffen, wodurch Nachrichten bei doppelt verbundenen Netzwerken nicht „im Kreis laufen“, sondern gezielt über definierte Routen ans Ziel gelangen. Datenströme können an beliebiger Stelle dupliziert und wieder fusioniert werden, damit die redundante Verbindung auch auf Datenebene umgesetzt werden kann. So können zwei identische Datenströme über zwei parallele physikalische Links laufen und am Ziel weiterverarbeitet werden, ohne dass später eintreffende gedoppelte Nachrichten zu Problemen führen.

 


Network Architecture

Diese Mechanismen ermöglichen neue Netzwerkarchitekturen im Fahrzeug, mit denen automatisiertes Fahren umgesetzt werden kann. Durch Ethernet können Sensoren und Aktoren des Fahrzeugs sicher und schnell an mehrere sich überwachende zentrale Steuergeräte angeschlossen werden, die aufgrund der gesammelten Daten entscheiden, wie gesteuert, beschleunigt und gebremst werden soll.


Fazit

Mit TSN wird es in Zukunft möglich, Ethernet in Industrie und Luftfahrt nicht nur zur Bewältigung großer Datenmengen für beispielsweise Entertainment zu nutzen, sondern auch große Mengen an zeitkritischen Daten sicher zu managen. Dies ist eine nötige Basis, um automatisiertes Fahren umzusetzen.

 

 

AUTOR

Sandra Ebeling

Dipl.-Ing. Electrical Engineering

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