Komplexität und Kosten runter: Ist das Elektroauto reif für die Massenproduktion?

15. NOV 2019

Ein klares Bekenntnis der Automobilindustrie zu den Klimaschutzzielen von Paris, nicht mit Worten, sondern durch Taten. Das ist meines Erachtens die wesentliche Botschaft, die von der IAA 2019 ausging. Das Elektroauto fährt aus der Ökonische in die Massenproduktion. Im Jahr 2030 sollen allein in Deutschland bis zu 10,5 Millionen Elektroautos auf der Straße sein, so der Verband der Automobilindustrie.

Damit dieses Ziel erreicht wird, muss noch einiges passieren. Neben dem Aufbau einer flächendeckenden Lade-Infrastruktur gehört dazu auch eine deutliche Verringerung der Anschaffungskosten, die von vielen Kunden derzeit noch als zu hoch empfunden werden. Als Systempartner der Autohersteller können wir unseren Teil dazu beitragen: Ich halte es für möglich, die Kosten für Hochvolt-Bordnetze im kommenden Jahrzehnt um rund ein Drittel zu verringern. Das Stichwort für den Weg, den LEONI dazu gehen will, lautet „Komplexitätsreduzierung“. Was meine ich damit?

 

Optimierung des Hochvolt-Bordnetzes

Vor kurzer Zeit basierten die meisten batterieelektrischen Fahrzeuge noch auf modularen Plattformen, die auf Verbrennungsmotoren optimiert waren und gleichzeitig eine möglichst flexible Produktion mit verschiedenen Antriebsformen ermöglichen sollten. Fahrzeuge mit Benzin-, Diesel- und Erdgasmotoren samt der zugehörigen Tanks sollten auf der gleichen Produktionslinie gefertigt werden wie Voll- und Plug-in-Hybridfahrzeuge und reine Elektroautos – ein durchaus rationaler Ansatz für eine Zeit, in der die Kundenakzeptanz für elektrifizierte Antriebe ungewiss war.

Die Plattformen der meisten Hersteller wurden dabei quasi „elektrisch nachgerüstet“, sprich die elektrischen Komponenten nachträglich dort untergebracht, wo der benötigte Bauraum zu finden war. Das führte zum Beispiel in einem unserer Kundenprojekte dazu, dass die Leistungselektronik und der Elektromotor eines Plug-in-Hybridfahrzeugs an zwei verschiedenen Achsen des Fahrzeugs positioniert wurden. Man könnte annehmen, dass wir uns als Produzent von Bordnetzen darüber freuen, wenn in einem Fahrzeug möglichst viele Kabel verlegt werden. Da LEONI sich aber als Systempartner der Automobilhersteller betrachtet, wollen wir ein Gesamtoptimum erreichen. Für batterieelektrische Fahrzeuge, die in größeren Stückzahlen hergestellt werden, liegt das in Plattformen, die dezidiert für Elektrofahrzeuge entwickelt wurden. Charakteristisch für solche Plattformen sind eine zwischen den Achsen positionierte große Traktionsbatterie sowie eine wachsende räumliche Integration der Antriebskomponenten. Wird ein Hochvolt-Bordnetz auf diese Bauweise hin optimiert, besteht die Möglichkeit, die Komplexität deutlich zu reduzieren.

Das Elektroauto fährt aus der Ökonische in die Massenproduktion

© elektronik-zeit - stock.adobe.com

Komplexitätsreduktion hat mehrere Facetten

Ein wesentlicher Punkt ist ein weitgehender, vielleicht sogar völliger Verzicht auf dreiphasige Kabel, der durch die Integration der Leistungselektronik in die elektrischen Antriebe ermöglicht wird. Wir erwarten, dass dies in den Fahrzeugprojekten der Zukunft zum Standard wird.

Aus funktionalen Gründen wird die Batterie allerdings immer ein vom Antrieb separiertes Bauteil bleiben, so dass auch im kommenden Jahrzehnt Hochvolt-Traktionsleitungssätze benötigt werden. Die neuen Fahrzeugarchitekturen ermöglichen jedoch eine Verkürzung dieser Leitungssätze. Zudem müssen diese elektromagnetisch nicht zwingend geschirmt werden – die Verwendung von EMV-Filtern ist in einigen Fällen die kostengünstigere Lösung, weil der Aufwand für die Herstellung und die Montage ungeschirmter Leiter geringer ausfällt. Bei LEONI erwarten wir, dass in Zukunft deutlich häufiger ungeschirmte Leitungssätze verwendet werden. Analog zum Traktionsleitungssatz gilt diese Entwicklung auch für den Bordnetzteil, über den andere Hochvoltverbraucher wie der Klimakompressor angeschlossen werden. Nicht zuletzt kann der Ladeleitungssatz für Gleich- und Wechselstromladen weiter optimiert werden. Abschließend ein offenes Wort zu diesen Entwicklungen: Das volle Potenzial entfaltet die Komplexitätsreduzierung erst dann, wenn die „entfeinerten“ Hochvolt-Leitungssätze in hohen Stückzahlen vollautomatisiert produziert werden.

Dies verlangt Mut in zwei Dimensionen

Zum einen geht es perspektivisch darum, unternehmensübergreifende Standards zu akzeptieren. So stolz wir auf unsere Hochvolt-Bordnetze auch sind: Zur Differenzierung gegenüber dem Autokäufer taugen sie vermutlich nicht. Sie können aber eine Differenzierung des Autoherstellers unterstützen, der Premiumqualität und geringe Kosten vereinen will. Die zweite Mut-Dimension besteht darin, mit uns den Weg in einen höheren Automatisierungsgrad zu gehen. Gerade ungeschirmte Leitungssätze bieten hierfür ein hohes Potenzial. Erste Erfahrungen liegen bei uns vor, die technischen Voraussetzungen durch den Anlagenbau sind gegeben. Nun gilt es, gemeinsam die nächsten Schritte zu gehen.

Die Kosten des HV-Kabelsatzes können um 30% reduziert werden

Galten Elektroautos noch vor wenigen Jahren als Elitephänomen, so werden sie im kommenden Jahrzehnt zum Alltag vieler Menschen gehören. Ich bin stolz darauf, dass LEONI einen Beitrag zur Demokratisierung der Elektromobilität und damit zu einem besseren Klimaschutz im Verkehr leisten kann.

 

AUTOR

Udo Hornfeck

Former Chief Technology Officer and Member of the Executive Board

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